2. Veranstaltung
Krumme Wände, gerade Schränke – Was macht der Nutzer mit der Architektur?
Architektur, die publiziert und über die diskutiert wird, wird in der Regel in dem Zustand unmittelbar nach der Fertigstellung des Gebäudes gezeigt, bevor der Nutzer darin seine Spuren hinterlassen. Damit wird die Auseinandersetzung mit der Architektur auf ein Stadium begrenzt, das ihrer Bestimmung und ihrer Realität im jahrzehntelangen Gebrauch nur sehr rudimentär entspricht. Damit entsteht der Eindruck, als werde durch den Gebrauch die Architektur von dem entfremdet, was ihr eigentliches Wesen ist. Wozu aber dient sie dann? Gilt es nicht vielmehr, die Frage nach der Architektur von der Perspektive ihres Gebrauchs zu stellen? Sie lautete dann: Wird die Architektur durch die diskursive Begrenzung auf den Moment ihrer Fertigstellung eines Ausdruckspotenzials beraubt? Wie ließe sich dieses Ausdruckspotenzial aktivieren? Baudrillard schrieb, dass ein gelungenes Objekt dasjenige sei, “das jenseits seiner eigenen Realität existiert, das auch mit den Benützern eine duale (nicht nur interaktive) Beziehung aus Missbrauch, Widerspruch und Destabilisierung erzeugt.” In der zweiten Runde an der Bar wollen wir uns darüber austauschen, was dies für die Architekturpraxis bedeuten kann.
Der zweite Abend an der Bar stand unter dem Thema der Zeit- und Nutzerperspektive der Architektur. Welche Möglichkeiten hat der Architekt, sich die Aneignungsbedarf und Veränderung des Gebauten durch Zeit und Nutzung für die eigene Arbeit fruchtbar zu machen? Die Diskussion führte über die Frage, wie genau der Architekt sich auf das einstellen könne, was der Kunde erwartet bis hin zur Überlegung, dass Architektur so formuliert werden kann, dass sie durch eine Nutzung und Aneignung nichts von ihrer Kraft einbüßt, auch wenn diese Aneignung nicht im Sinne der ursprünglichen Architekturidee erfolgt. Themen der Diskussion waren außerdem: Schafft der Architekt Atmosphären, sieht er sich als Dienstleister, der die Wünsche seiner Auftraggeber materialisiert oder vertritt er dabei auch eine eigene Position, eine eigene Haltung, und wenn ja, wie kann die sich äußern, ohne den Bauherrenauftrag zu vernachlässigen? Wenn der Nutzer in der Sichtweise des Architekten sich im Hausinnern anders definiert und sich das Haus auf andere Weise aneignet, als er es entwerfen würde, ist dieser vermeintliche Bruch zwischen Architekturentwurf und Aneignung, einer, der vom Nutzer überhaupt wahrgenommen wird? Entstehen aus diesen unterschiedlichen Wahrnehmungen nicht auch Chancen und Potenziale für die Architektur, die bislang ungenutzt blieben, weil der Architekt zu sehr nach einer Einheit aus allen potenziell zu gestaltenden Elementen strebt oder sich darauf auf ein Idealbild von Bauherr verlässt, der sich mit dem Gebäude identifizier t und es lange selbst nutzt?
AntwortenLöschenAm 9. Juni wird die Diskussion über das Potenzial von Architektur fortgesetzt: 19.30h, in der Minibar an der Paulinenbrücke