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An der Bar II-03

Architektur als Sprache

„Aus einem bewussten Architekturprozess entsteht eine Architektur, die nur spricht, wenn sie gefragt wird“, so Hermann Czech. Einer Architektur als Sprache wird Misstrauen entgegen gebracht – so als vernachlässige sie die Qualitäten, die Architektur ausmachten. Aber auch der Sprache wird misstraut: So versteht Nietzsche die Sprache “als Verhüllungs- und Verbergungsmaschinerie, die ihre Schleier solange über den Grund des Realen legt, bis dieser verschwindet”, Wittgenstein spricht gar von der “Verhexung des Verstands durch die Sprache”. Thomas Bernhard meinte, dass die Sprache „vor allem aus Worten gleich Gewichten bestehe, von welchen die Gedanken fortwährend herunter und zu Boden gedrückt und dadurch in keinem einzigen Falle in ihrer ganzen Bedeutung und tatsächlichen Unendlichkeit offenbar werden könnten.“ Und doch sprechen wir und bauen wir Häuser, die etwas über gesellschaftliche Verhältnisse und individuelle Träume mitteilen. Architektur kommentiert Traditionen, soll zum richtigen Leben verleiten. Architektur ist nicht nur, aber auch Sprache. Darüber, über welche Qualitäten von Architektur sich sprechen lässt, wenn man Architektur als Sprache versteht, wenn man die richtigen Worte für Architektur findet, darüber, wie man damit umgehen kann, dass in Architektur viele vieles, aber selten alle das Gleiche lesen, wird es bei der nächsten Diskussion an der Bar gehen.

4. Mai, 19.30 h
Mini-Bar, Paulinenstraße 8, 70178 Stuttgart

Zur Vorbereitung des Treffens an der Bar am 4. Mai dürfen die Texte hinter folgenden Links studiert werden:

Michel Serres: Besuch eines Hauses

Richard Wittman: Architecture Parlante – eine Anti-Rhetorik?

Kommentare

  1. Rückblick 4. Mai – Architektur als Sprache

    Es war die abschließende Erkenntnis der vorhergegangenen Veranstaltung, dass es keine unverrückbare Wahrheit für die Architektur geben könne. Daraus kann man folgern, dass die Bestimmung von Architektur und die Auseinandersetzung über gute Architektur einen permanenten Diskurs voraussetzen – und der nie abgeschlossen werden kann. Wenn man aber über Architektur redet, um herauszufinden, wie man sie reflektiert, wie man sie bewertet, wird dann Architektur selbst zu einem Teil dieses Redens? Ist dann Architektur auch eine Form des Sprechens, eine Sprache? Was kann Architektur „sagen“? Will man über Architektur als Sprache sprechen, dann, so begann die Diskussion, muss man sich erst darauf einigen, wer sie sprechen können muss, und vor allem wer sie verstehen können muss. Ist Architektur eine Sprache, wie die englische, die deutsche, die französische, die man nur versteht, wenn man sie gelernt hat, wenn man weiß, sie als Teil eines regionalen, eines kulturellen, eines sozialen Kontextes zu lesen? Was ist ihr Vokabular? Sind es Zeichen und Symbole oder sind es ihre einfachen Elemente, das material, die Bauteile, Fenster, Böden, Wände?
    Architektur könnte als Sprache auf das beschränkt werden, was verstanden werden kann – so etwa ließe sich Czech verstehen, der meinte, dass aus einem bewussten Architekturprozess eine Architektur entstehe, die nur spricht, wenn sie gefragt wird. Die Architektur Czechs gibt Aufschluss darüber, wie das gemeint sein könnte – dass sie sehr sensibel Traditionen berücksichtigt, sie auf ihre Tauglichkeit für den Alltag heute befragt, aber nicht als ins Auge springendes, als aufdringliches und als Zeichen inszeniertes Bekenntnis formuliert. Architektur bestünde dann aus einem Vokabular ihrer einzelnen Elemente, die in einer typischen Form sich entwickelt haben und als Sediment gemeinsamer Erfahrungen und Lebenszusammenhänge dechiffrierbar würde.
    Letztlich konnte zwar, um von Architektur als Sprache zu sprechen, kein eindeutiger Konsens darüber gefunden werden, was Architektur sagen, was ihr Vokabular ist, so viel sie auch bedeuten kann und so wenig bezweifelt werden kann, dass sie Bedeutungen und Sinnzusammenhänge vermittelt. Trotzdem ist es nicht sinnlos, darüber zu reden, inwiefern Architektur Sprache sein kann – denn auch dadurch wird es möglich, auf eine eigene Weise über Architektur zu reden, sich über ihre Qualitäten auszutauschen, zu versuchen, im gemeinsamen Reden ihr Wesen zu bestimmen. Und genau darum geht es ja letztlich.

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